Musik und Erinnerungen aus Theresienstadt
Premiere der Dokumentation „We Left the Camp Singing“ in Frankfurt
Frankfurt am Main, 31. Mai 2022. Am 29. Mai fand in der Evangelischen Akademie in Frankfurt die deutsche Premiere der Dokumentation „We Left the Camp Singing“ statt. Die italienische Pianistin Sofia Tapinassi produzierte den Film nach mehrjähriger Recherche mit Überlebenden des Konzentrationslagers Theresienstadt. Der Film berichtet über Musik, die von den Verfolgten des Nationalsozialismus im KZ komponiert wurde. Die Werke erfahren bis heute wenig Aufmerksamkeit im Gedenken an die Shoa. Live aus New York schaltete sich die Zeitzeugin Inge Auerbacher zu. Gastgeber war das Frankfurter Forum für Interkulturellen Dialog e.V.

 

„We left the camp singing“ sind die letzten Worte der Holländerin Etty Hillesum. Hillesum warf im Jahr 1943 eine Postkarte mit diesen Worten aus dem Zug, der sie nach Auschwitz brachte. Dort starb sie wenige Tage später. Den inhaftierten Opfern in den Konzentrationslagern der Nationalsozialist:innen „wurde alles genommen. Sie konnten aber immer noch singen“, so Sofia Tapinassi über den Titel ihrer Dokumentation.

 

Tapinassi wurde 1994 in Florenz geboren. Eigentlich ist sie Konzertpianistin und unterrichtet Klavier. Nachdem sie auf Musikstücke stieß, die im Konzentrationslager Theresienstadt komponiert wurden, war sie tief bewegt. Die Stücke sind wegweisend für europäische klassische Musik geworden. Dennoch herrscht viel Unwissenheit über die Bedeutung von Musik in der Zeit des Nationalsozialismus. Sie möchte ihre Dokumentation deswegen an Schulen bringen und Jugendliche informieren.

 

Theresienstadt hatte eine besondere Bedeutung für die Nationalsozialist:innen. Sie stilisierten das Konzentrationslager im tschechischen Terezín zu einem Vorzeigecamp und täuschten sogar das Internationale Rote Kreuz über die Situation der Verfolgten. Deswegen wurde den Inhaftierten zeitweise erlaubt, Musikinstrumente zu besitzen und Konzerte, Opern und Theaterstücke aufzuführen. Die fehlende Würdigung der dabei entstandenen Kompositionen veranlasste Tapinassi dazu, mit der Dokumentation zu beginnen, obwohl sie als Musikerin keine Erfahrungen in der Filmproduktion hatte.

 

Inge Auerbacher, die von den Nationalsozialist:innen für drei Jahre im Konzentrationslager Theresienstadt gefangen gehalten wurde, schaltete sich live aus New York zu. Sie wünscht sich von den Menschen, ein offenes Herz zu haben und einander kennenzulernen. Sie selbst lebt nach ihrem eigenen Appell. Sie wohnt in Queens, einem sehr vielfältigen und multikulturellen Stadtteil von New York City, und erzählte von ihren Freundschaften zu jungen Menschen aus Jamaika oder Mexiko.

 

Kadir Boyacı, Vorstandsvorsitzender des Forum für Interkulturellen Dialog, beschreibt die Stimmung bei der Veranstaltung als tief bewegend: „Die Musik, die in den dunkelsten Stunden und in einer Situation größten menschlichen Leids entstanden ist, hat eine unvergessliche, emotionale Aura.“ Deswegen wünscht er sich, dass Tapinassis Projekt den Weg in die Klassenzimmer findet. Die Möglichkeit, Jugendlichen einen Zugang zur Shoa mithilfe von Musik zu liefern, berge ein riesiges Potential, so Boyacı.

 

Bildmaterial:

Sofia Tapinassi spielt ein Stück von Gideon Klein, der nach seinem Aufenthalt in Theresienstadt im KZ Fürstengrube starb.

Download: https://drive.google.com/file/d/15VVC6Z9s2IWOhGM7cNRkv0qPJsl5IPc6/view

Moderator Nicolai Kehl spricht mit Inge Auerbacher, die sich live aus New York zugeschaltet hat.

Download: https://drive.google.com/file/d/1JEgXYuzgxeV4Ktaesh0OSodApmqYQBE4/view?usp=sharing

Sofia Tapinassi berichtet über den Prozess der Produktion der Dokumentation.

Download: https://drive.google.com/file/d/1KHCwF4b-LQt8ExAxb5MsCKY_QcIJwFm_/view?usp=sharing

Moderator Nicolai Kehl spricht über die Bedeutung von Kunst nach der Shoa.

Download: https://drive.google.com/file/d/16I77bWJRRdl_jm2oX8Uh8O5CSgMdgoZj/view?usp=sharing)

 

 

Pressemeldung als PDF
Pressemitteilung FIDeV vom 31 Mai 2022

Das Forum für Interkulturellen Dialog ist ein gemeinnütziger Verein, der sich seit seiner Gründung im Jahr 2002 für einen nachhaltigen interkulturellen und interreligiösen Dialog einsetzt. Unser Ziel ist es, auf ein friedliches Zusammenleben in Deutschland hinzuwirken, indem wir Menschen mit unterschiedlichen Überzeugungen in Gesprächsrunden, Workshops, Konferenzen und vielfältigen Kulturveranstaltungen zusammenbringen. Innerhalb des Forums werden hauptsächlich aktuelle gesellschaftliche und politische Themen behandelt. Weitere Informationen unter www.fidev.org

 

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