Dr. Jon Pahl (ULS Philadelphia) stellt neue Gülen-Biographie in Frankfurt vor 

Am 15. März war der christliche Theologe und Historiker Dr. Jon Pahl (ULS Philadelphia) zu Gast in Frankfurt, um die neue Biographie „Fethullah Gülen: Ein Leben des Hizmet“ vorzustellen. Nach einem Grußwort von Prof. Dr. Joachim Valentin (Haus am Dom), präsentierte Pahl die Ergebnisse seiner langjährigen Recherche über Gülen und die Hizmet-Bewegung. Ausgangspunkt seines Vortrags war dieselbe Frage, die ihn zum Verfassen der Biographie bewegt hat: Wie konnte ein türkischer Prediger gleichzeitig zur Inspiration einer globalen Bewegung und Objekt von tiefem Hasses werden.

 

Für Pahl spiegelt sich in der Spannung ein globaler Konflikt zwischen einer pluralistisch und globalisierten, modernen Auffassung von Religion und einem religiösem Nationalismus wieder. Gülen ist für ihn ein Friedensstifter, der mit Recep Tayyip Erdogan einem religiösen Nationalisten gegenüberstünde. Gülen vertrete eine dialogorientierten Auffassung des Islam, die gesellschaftlich zur Herstellung eines Zustands beitragen könnte, den Pahl als „tiefen Frieden“ bezeichnet. Darunter versteht er nicht nur um die Abwesenheit von Krieg, sondern ein harmonisches gesellschaftliches Zusammenleben auf der Basis eines gegenseitiges Vertrauens, das durch friedvolle Praktiken erst erzeugt wird. Gülens Islamverständnis fördere solche friedvollen Praktiken, als Beispiel nannte er das Gebet.

 

Pahl stellte das Leben Gülens in fünf Phasen dar. Jeder dieser Phasen ordnete er ein Prinzip zu, dass zur Herstellung eines tiefen Friedens beitragen könne. So verband Pahl seine Verständnis von Gülens Theologie mit seinem eigenen gesellschaftstheoretischen Ansatz des tiefen Friedens zu folgenden fünf Phasen:

 

  1. Lernens: Erzurum und Edirne (1938-1966)
  2. Friedliche Praktiken: Izmir (1966-1971)
  3. Aktive Empathie: Ägäis (1971-1980)
  4. Prinzipientreuer Pluralismus: Istanbul (1980-1999)
  5. Soziale Unternehmungen: Pennsylvania (1999-heute)

 

Während der Vortrag die Chancen von Gülens Theologie und der Hizmetbewegung für den Islam in modernen, pluralen Gesellschaften in den Blick nahm, kamen kritische Fragen vor allem im letzten Teil der Veranstaltung zu Wort. Pahl formulierte drei Hauptkritiken an der Bewegung: 1. Frauen seien (v.a. als Entscheidungsträgerinnen) noch erheblich unterrepräsentiert in der Bewegung. 2. Neben Frauen gebe es auch ein Altersgefälle innerhalb der Bewegung. Die Stimmen junger Menschen müssten mehr Raum bekommen. 3. Auch nach langjähriger Recherche sei ihm außerdem die Struktur der Bewegung nicht klar und es mangele immer noch erheblich an Transparenz.

 

Die Moderation des Abends übernahm Prof. em. Dr. Dr. Paul Weller (Universität Derby).